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Montag, 25. März 2013

Die Optimierung des Markenbildungsprozesses mittels Scrum



Gemeinsam mit Fabio Aresu, dem Geschäftsführer der Branding Agentur Markenkern AG (www.markenkern.ch) in Chur in der Schweiz, habe ich vor wenigen Jahren ein interessantes Scrum-Projekt gestartet und möchte nachfolgend die Erfahrungen kurz zusammenfassen.

Abstract

Markenbildung ist schwierig und herausfordend. An dieser Tatsache ändert auch eine agile Organisationsmethode nichts. Denn das Wesen der Markenbildung ist Innovation und Kreativität. Jedes Projekt in dieser Richtung befriedigt nicht nur das Bedürfnis des Markeninhabers und -betreibers, sondern in erster Linie die des Bestands- und Neukunden dieser Marke. Oft scheitern Markenbildungsprojekte oder liefern Ergebnisse, die weder die Kunden zufriedenstellen noch die angestrebten wirtschaftlichen Ziele erreichen lassen (vgl. Esch, 2005, S. 24ff.).


Ausgangssituation und Problemstellung

Kein Markenbildungsprozess beginnt in der Praxis bei Null. Jedes neue Produkt und jede neue Dienstleistung ist in einen bestehenden Kontext eingebettet, um die Vermarktung schneller vorantreiben zu können. Dies bedeutet auch, dass die Projektmitarbeiter bewusst oder unbewusst nach einer für sie idealtypischen Herangehensweise zur Markenbildung vorgehen wollen. Somit prallen verschiedene Prozesse aufeinander, die in den meisten Fällen die Time-to-Market Phase erheblich verlängern, im schlimmsten Szenario sogar die Einführung gefährden, weil eine einheitliche Vorgehensweise und  zielgerichtete Kontinuität  in der  sensiblen Anfangsphase nicht gegeben sind.

Ablauf eines klassischen Markenbildungsprozesses 

Die nachfolgende Prozessbeschreibung in geraffter Form, soll die wesentlichen Elemente der Markenbildung kurz umreissen.
Auf Basis einer gründlichen Marktanalyse inklusive Desk- und Field Research wird der gewünschte Positionierungsraum der Marke definiert. Mit Hilfe einer klar definierten Vision, eines stringent umrissenen Brand Plans und der Formulierung des Markenversprechens wird die Strategie geformt. Darauf aufbauend erfolgen die operativen Massnahmen zur erfolgreichen Implementierung der Marke. Im Falle einer Neupositionierung muss darauf geachtet werden, die bisherigen zentralen Charakterelemente und –eigenschaften der Marke behutsam in einen neuen Positionierungsraum zu überführen. 

Probleme im Markenbildungsprozess 

Allgemeine Problemstellung

Auf Grund der komplexen Herausforderungen, namentlich in Kombination betriebswirtschaftlicher und wirtschaftspsychologischer Fragestellungen, werden oft Projektteams mit internen und externen Spezialisten gebildet. Dies bedeutet in der Praxis in der Regel, dass unterschiedlichste Vorgehensweisen, Analysemethoden und Problemlösungsszenarien aufeinanderprallen, die inkohärent sind und dem eigentlichen Ziel, eine starke Marke mit einer klaren Idee aufzubauen, diametral entgegenlaufen.

Probleme in traditionellen Markenbildungsprojekten

Das zentrale Problem traditioneller Vorgehensweisen besteht darin dass Marketingexperten  frühzeitig versuchen, alle Eventualitäten und Arbeitsdetails des Markenbildungsprozesses zu antizipieren und einzuplanen um anschliessend streng formalisert, dieses Programm als Projekt auszuführen (vgl. Pichler, 2008, S. 4). Gleichzeitig erhalten wir erst spät im Projekt Rückmeldung duch den Kunden über den tatsächlichen Projektfortschritt meist erst dann, wenn das Projekt schon im letzten Drittel der Markenbildung angelangt ist.


Lösung mit Scrum, einem Rahmenwerk für agile Projektorganisationen

Timeboxing als Orientierungsrahmen 

In Scrum - einer agilen Methode für Projektorganisationen - werden alle Aktivitäten der Markenbildung innerhalb einer fixen Zeitbox (fixer Zeitraum von 20 oder 30 Tagen) ausgeführt  - in Scrum wird dies als „Sprint“ bezeichnet. So bekommt das Projektteam nach wenigen Tagen Rückmeldung über den Fortschritt und wertvolle Informationen etwaiger Probleme und Hindernisse. Die Projektplanung fußt auf dem tatsächlichen Fortschritt des Projektes. 
Durch die Verwenden von kurzen Arbeitszyklen, an deren Ende IMMER ein Mehrwert für das Projekt (Fokusgruppenbefragung, Prototyp einer neuen Verpackung, Produktvergleichstests, uvam.) entstanden sein muss, werden Probleme frühzeitig offensichtlich. So besteht die Möglichkeit, rechtzeitig Ursachen von Problemen zu aufzufinden, Lösungsoptionen zu entwickeln und die richtigen Massnahmen zu ergreifen. Das frühe Auffinden von Problemen eröffnet dem Projektteam einen grösseren Handlungsspielraum und Flexibilität. Ergänzt wird die Theorie von Scrum durch die Art und Intensität in der Kommunikation in Abhängigkeit von der entsprechenden Projejktphase (vgl. Brandstätter/Gölzner/Siems, 2006).

Besonderheiten in der agilen Projektabwicklung 

Der Unterschied einer agilen Projektmanagementmethode - in diesem Falle Scrum  gegenüber der Projektorganisation in der klassischen Methode liegt in folgenden Aspekten begründet (vgl. Oesterreich/Weiss, 2008): 

  • Scrum besitzt die Besonderheit, dass das Projektteam eigenverantwortlich in der Umsetzung agiert und innerhalb von fixen Zeitabschnitten fertige Detailergebnisse - so genannte inkrementale Produkte (vgl. Pichler, 2008, S. 32) - liefert. 
  • Der Vorteil  der Methode Scrum liegt darin, dass das Erreichen eines fix definierten Endtermins einfacher zu erreichen ist, als in der klassischen Projektmanagementmethode. Die Begründung liegt in fixen Vorgaben für Zeit und Tätigkeiten.
  • Scrum kommt grundsätzlich aus der Softwareentwicklung, ist aber nicht für Software Entwicklungsprojekte  alleine ausgelegt. Vielmehr versteht sich Scrum als generische agile Projekt Management Methode für unterschiedliche Projektarten (vgl. Pichler, 2008 S. 7ff.; Takeuchi/Nonaka, 1986, S. 237ff.). Diese Erkenntnis kann ich aufgrund meiner Erfahrung aus einer Vielzahl an abgeschlossenen Scrum Projekten ausserhalb der Software-Branche bestätigen.
  • Scrum kennt gegenüber der traditionellen Projektorgansiation keine Rolle des Projektmanagers (vgl. Schröder, 1973, S. 27). Die Rollen in Srum lauten vielmehr:
    • Product Owner - Verantwortlich für die Funktionalitäten und das Ergebnis des Markenbildungsprozesses, ist zumeist der Marketingleiter oder Produktmanager. Dieser gibt die inhaltlichen Anforderungen in einem priorisierten Product Backlog (Produktkatalog) , der in Form von „User-Stories“ verfasst ist.
    • Scrum-Master – Verantwortlich für den Prozess, nicht für das Ergebnis ist zumeist ein erfahrener Mitarbeiter des Markeneigners oder derbeauftragten Agentur .
    • Team – als interdisziplinäre Gruppe (bestehend aus internen und externen Mitarbeitern) führt alle Arbeiten, die zur Umsetzung der Anforderungen in auslieferbare Ergbnisse und Teilergebnisse (Produktinkremente) notwendig sind, eigenverantwortlich aus.
    • Anwender – ist jene Pesonengruppe, die mit dem Projektergebnis arbeiten, konsumieren oder interagieren muss.


Vorteile in agilen Markenbildungsprojekten

Beim konsequenten Einsatz von Scrum werden folgende positive Aspekte spürbar:
  • Kundenzufriedenheit: Durch die von Scrum bedingte enge Zusammenarbeit mit den Auftraggebern und Kunden (Markenkunden) und deren Einbeziehung beispielsweise in Anforderungsworkshops und Sprint-Reviews wird sichergestellt, dass das resultierende Markenergebnis zielgenau (Zeit- und Kostenplanung wird exakt eingehalten) erreicht wird.
  • Time to market: Scrum ermöglicht durch eine strikte Priorisierung der Anforderungen, durch die Vermeidung von Fehlleistung und Ressourcen-Überlastung  das Projektziel des Markenbildungsprozesses zu erreichen oder zu übertreffen.
  • Qualität: Scrum richtig angewendet führt zu einer spürbaren Verbesserung der Ergebnisqualität. 
  • Produktivität: Durch enge Kollaboration, Selbstorgansiation, durch Bevollmächtiung der Projektmitarbeiter, durch das Vermeidem von Fehlleistungen und das Fokusieren auf die wichtigsten Anforderungen steigert Scrum die Produktivität.


Abb.: Artikel in der Zeitschrift Medinet Ausgabe 04/2008

Weiterführende Literatur

Brandstätter, M./ Gölzner/H., Siems, F. (2006): Diversifizierte Kommunikation auf Basis des Event Life Cycle. Eine interdisziplinäre Betrachtung für die Stakeholder Netzwerkpartner, Mitarbeiter und Kunden. In: Proceedings of VI. Interdisziplinäres Symposium „Europäische Kulturen in der Wirtschaftskommunikation (EUKO 2006)”, Turku, S. 24-25.

Deichsel, A., (2004): Markensoziologie, Frankfurt am Main

Esch, F-R. (Hrsg.), (2005). Moderne Markenführung, Wiesbaden

Oesterreich, B./Weiss, C. (2008): APM - Agiles Projektmanagement. Erfolgreiches Timeboxing für IT-Projekte, Heidelberg.

Pichler, R. (2008): Scrum. Agiles Projektmanagement erfolgreich einsetzen, Heidelberg.

Schröder, H., (1973): Eine Führungskonzeption für aussergewöhnliche Ereignisse, Wiesbaden.

Takeuchi, H./Nonaka, I. (1986): The New Product Development Game. Stop running the race and start rugby. In: Harvard Business Review. Jan-Feb 1986, Harvard, S. 137-146.

Unger, F / Fuchs W., (2005), Management der Marketing-Kommunikation, Heidelberg




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