Seiten

Montag, 1. April 2013

Agiles Change Management - iterative Herangehensweise bei komplexen Anforderungen

Grundsätzlich

Wandlungsprojekte in Organisationen sind hochkomplexe Projekte, verbunden mit einem Anteil an hoher Varietät. Die Schwierigkeiten liegen dabei oftmals in der Verwendung inkompatibler Methoden und Herangehensweisen sowie andererseits in der Lücke zwischen normativer Modellierung und realen Ausführung (vgl. Brandstätter/Gölzner/Siems, 2006, S. 25).

Derartige Projekte zeichnen sich oftmals mit einer hohen Misserfolgsrate aus. Die Begründung liegt neben überzogenen Erwartungshaltungen in der Zielsetzung, oftmals auch in mangelhaft durchgeführten Methoden für die Implementierung, sowie der notwendigen, jedoch nicht mehr durchgeführten laufenden Anpassung der Unternehmensorganisation. Diese nachfolgenden Adaptierungen werden großteils als aufwändig und mühsam empfunden und dadurch oftmals dem Tagesgeschäft untergeordnet.

Weitere Hindernisse wurden in einer Studie der TU-München (vgl. 2007) identifiziert.
  • Unzureichendes Engagement der oberen Führungsebenen.
  • Unklare Zielbilder und Visionen der Veränderungsprozesse.
  • Fehlende Erfahrung der Führungskräfte im Umgang mit der Verunsicherung betroffener Mitarbeiter.
  • Uneinigkeit auf den obersten Führungsebenen.
  • Mangelnde Unterstützung aus dem Linienmanagement.
  • Lückenhafte oder verspätete Information an die Mitarbeiter.
  • Unzureichende Möglichkeiten zur Bewältigung von Ängsten und Widerständen der Mitarbeiter.
  • Vernachlässigung psychologischer Faktoren in der Projektplanung.
  • Ungenügende personelle Ressourcen.
  • Wenig Vertrauen in der Kommunikation zwischen Mitarbeitern und Führungskräften.

Agiles Change Management 

Wenn der erfahrene Change Manager von Wandel im Kontext zur Unternehmensorganisation spricht, dann bedeutet dies für ihn zumeist das moderierte Gestalten der Ablauf- und Aufbauorganisation, sowie das Berühren eines sehr fragilen Beziehungsgeflechts zwischen den Personen in der Unternehmensorganisation. 

In der modellhaften Betrachtung, sind nun im agilen Change Management die Tätigkeiten in zwei definierten Phasen zusammengefasst:

1. Die Impulsphase - Hier werden, ausgehend von einem Wandlungsimpuls und der daraus resultierenden Aktivitäten, über die Definition einer Change Vision bis hin zu einer Organisationsgestaltung, die "revolutionären" Aspekte des Wandlungsprojektes behandelt. Dieses sogenannte Neuformen und kontinuierliche Ausprobieren sowie "Anfühlen" der „neuen“ Organisation  wird anhand einfacher Rituale umgesetzt und in iterativen Schritten, erreicht.

2. Die Viabilitätsphase (Betriebsphase) Dies ist der Start des neuen „wandelnden Dauerszustandes“ einer Organisation. Diese ständige Adaptierung der Organisation ist daher der "evolutionäre" Teil des Wandlungsvorhabens.

Impulsphase

In der Impulsphase werden die betroffenen Unternehmenseinheiten (Abteilungen, Abläufe, Personengruppen) identifiziert. Daran folgt die fertige Identifikation der Aufgabenstellung, in Form einer gemeinsam zwischen Change Manager und Topmanagement formulierten Change Vision. Daran schliesst nahtlos der Vorgang für die Zusammenstellung, sowie Auswahl (eventuelle Selbstauswahl) des Teams an. 

Die Impulsphase beinhaltet nun folgende Tätigkeiten: 

  • Bildung der Change Vision.
  • Zusammenstallung und Auswahl des Teams.
  • Konzeption eines Change Backlogs als Arbeitsgrundlage für die Entwicklung oder Überarbeitung der Teilprozesse, 
  • das Simulieren und Testen der Teilprozesse, 
  • das Abschließen und Abnehmen der Teilprozesse durch den Change Manager in der Projekt Review und 
  • Übergang in die Viabilitätsphase.

Viabilitätsphase

Die Viabilitätsphase beschreibt die Aktivitäten vom Übergang der Impulsphase mit ihrer fertig simulierten Organisation in die des laufenden Regelbetriebes, mitsamt ihren ständigen Adaptierungen. Nach der Abnahmeprüfung der in der Impulsphase fertig simulierten und getesteten Organisation, geht diese in die "Phase" des Regulärbetriebes über. 

Jenes Team, das auch in der Impulsphase involviert war, übernimmt somit den Regelbetrieb und ist für die Einhaltung der selbst erstellten Anweisungen zuständig. Der Change Manager (zB HR-Management)  nimmt im Rahmen seines Tagesgeschäftes wieder den geregelten Arbeitsablauf in der Stammorganisation auf. Er ist jedoch weiterhin im Bedarfsfall, zB im Falle von identifizierten Organisationsänderungen, Ansprechpartner für das Team. Der Change Master wiederum, schließt nach erfolgreichem Projekt seine Tätigkeit ab, zieht sich in sein Team als Mitarbeiter zurück oder wird - sofern als externer Mitarbeiter in diesem Projekt rekrutiert - seine Tätigkeit in diesem Projekt beenden. 

Ziel der Methode des agilen Change Managements ist es, nach sehr kurzer Gestaltungszeit, einen schnellen Betriebszustand zu erzeugen um anschliessend den neuen Zustand auch langfristig erfolgreich „einfrieren“ zu können (Lewin, 1951; Kotter, 1996).

Verbesserungen von Prozessen oder Teilprozessen gehen grundsätzlich vom Team aus, werden vor ihrer Umsetzung jedoch vom Change Manager entschieden. Im Falle von anfallenden Adaptierungsmaßnahmen innerhalb des Prozesses, ist das verantwortliche Team für die Identifikation der Änderungen selbst zuständig. Es wird den Sachverhalt mit dem Change Manager besprechen. Dieser entscheidet dann, ob die Notwendigkeit eines neuen Projektes im Prozedere des oben beschriebenen agilen Change Managements (Impulsphase) gestartet werden sollte, oder ob dies auf „kurzem“ Weg in direkter Abstimmung z.B. mit der IT-Abteilung des Unternehmens abzuarbeiten ist. 

Änderungen im Rahmen des agilen Change Managements sind daher „anlassgetrieben“, erfordern keine regelmäßigen Meetings oder sonstigen Artefakte (zB Protokolle oder sonstige digitale Workflows). Die Erfordernisse für eine zeitnahe Adaptierung der Ablauf- und Aufbauorganisation im Änderungsfall sind:
  • eine hohe Sensorik für Änderungen im jeweilig verantwortlichen Team und 
  • die anschliessend notwendige Konsequenz, diese Änderungen auch umzusetzen.
Änderungen in der Unternehmenskultur sind im Rahmen von Change Projekten in der Methode des agilen Change Managements durchaus möglich. Der Autor hat bis dato jedoch nur Erfahrungen in Change Projekten in den Bereichen der Aufbau- und Ablauforganisation sammeln können. 

Weiterführende Literatur

Beer, S. (1973): Kybernetische Führungslehre, Frankfurt, New York.

Brandstätter, M./ Gölzner, H./Siems, F. (2006): Diversifizierte Kommunikation auf Basis des 
Event Life Cycle. Eine interdisziplinäre Betrachtung für die Stakeholder Netzwerkpartner, Mitarbeiter und Kunden. In: Proceedings of VI. Interdisziplinäres Symposium „Europäische Kulturen in der Wirtschaftskommunikation (EUKO 2006)”, S. 24-25, Turku.

Capra, F. (2002): Verborgene Zusammenhänge, Bern.

Doppler, K./Lauterburg, C. (2005): Change Management. Den Unternehmenswandel gestalten, 11. Aufl., Frankfurt a. Main.

Kostka, C./Mönch, A. (2001): Change Management. 7 Methoden für die Gestaltung von Veränderungsprozessen, München.

Kotter, J., P. (1996): Leading Change, Boston.

Laube, T./Schwandner, O. (2006): Technologie-Roadmapping-basierte Vorgehensweise zur Unterstützung des Technologietransfers in kmU. In Gausemeier, J. (Hrsg.): Vorschau und Technologieplanung. 2. Symposium für Vorschau und Technologieplanung Heinz Nixdorf 
Institut, 9. und 10. Nov. 2006, Schloss Neuhardenberg, Paderborn.

McK Wissen 08 (2008): Von der Amöbe lernen, http://www.brandeins-wissen.de/Downloads/McK/mck08_10.pdf, (Abfrage: 18.03.2008).

Morgan, G. (2002): Bilder der Organisation, 3. Aufl., Stuttgart.

Oesterreich, B./Weiss, C. (2008): APM - Agiles Projektmanagement. Erfolgreiches Timeboxing für IT-Projekte, Heidelberg.

Peters, T., J./Waterman, R., H. (2003): Auf der Suche nach Spitzenleistungen. Was man von den bestgeführten US-Unternehmen lernen kann, Heidelberg.

Pichler, R. (2008): Scrum. Agiles Projektmanagement erfolgreich einsetzen, Heidelberg.

Preissing, W. (2008): Visual Thinking. Probleme lösen mit der Faktorenfeldmethode, München.

Pugh, D., S. (1981): The Aston Program of Research. Retrospect and Prospect, in Van de 

Ven A., H./Joyce, W., F. (Hrsg.), Perspectives on Organization Design and Behavior, New York, S. 135-166.

Reiß, M. (1997): Optimierung des Wandels, in Reiß, M. (Hrsg.): Handbuch für Change Management. Programme, Projekte und Prozesse, Stuttgart, S. 123-144.

Robbins, P. (2001): Organisation der Unternehmung, 9. Aufl., München.

Schneck O. (1994): Management-Techniken. Einführung in die Instrumente der Planung, 
Strategiebildung und Organisation, Frankfurt.

Scholl, W. (2004): Grundkonzepte der Organisation,  in H. Schuler (Hrsg.), Lehrbuch der Organisationspsychologie, 3. Aufl., Bern, S. 515-556.

Stolzenberg, K./Heberle, K. (2006): Change Management. Veränderungsprozesse erfolgreich gestalten - Mitarbeiter mobilisieren, Heidelberg.

Senge, P. (2003): Die fünfte Disziplin, 9. Aufl., Stuttgart.

Takeuchi, H./Nonaka, I. (1986): The New Product Development Game. Stop running the race and start rugby. In: Harvard Business Review. Jan-Feb 1986, Harvard, S. 137-146.

TU-München: http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xbcr/SID-3034173B-82254146/bst/Studie_C4_2_2007.pdf

Von Rosenstiel, L./Dierkes, M./Steger, U. (1993): Unternehmenskultur in Theorie und Praxis: Konzepte Aus Ökonomie, Psychologie und Ethnologie, Frankfurt a. Main.

Von Rosenstiel, L. (2003): Grundlagen der Organisationspsychologie, Stuttgart.

Weick, K. (1995): Der Prozess des Organisierens, Frankfurt a. Main.

Keine Kommentare: