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Sonntag, 28. April 2013

Einführung von Scrum in die Unternehmensorganisation


Scrum ist ein Vorgehensmodell für Planung und Umsetzungssteuerung von Projekten, das vorwiegend in der Software-Entwicklung eingesetzt wird. Darüber hinaus begegnet mir Scrum aber immer mehr als Planungs- und Umsetzungswerkzeug in anderen Branchen, speziell überall dort, wo Forschung und Entwicklungsarbeit geleistet wird. In der Pharmaindustrie genauso, wie in der Automobilindustrie, Medienbranche und Nahrungsmittelindustrie hat Scrum neben den hauseignen IT- Abteilungen, in den F&E Labors Einzug gefunden.

Im Vordergrund von Scrum stehen Teamwork, regelmäßige und zyklische Lieferungen funktionierender Produkte bzw. Teilprodukte (Inkremente), enge Zusammenarbeit mit dem (internen bzw. externen) Kunden, arbeiten in fest definierten Zeitrahmen (engl. „timebox“) sowie die Fähigkeit schnell auf Änderungen (engl. „Change Requests“) zu reagieren.

Was bietet Scrum? 

Scrum setzt auf ein selbstorganisiertes (Software-) Entwicklerteam, das sich ohne einen Projektleiter organisiert und strukturiert. Damit das Entwicklerteam in Ruhe und ohne Störungen (Software-) Produkte entwickeln kann und darf, gibt es einen Scrum Master. Damit dieser Entwicklungsprozess (engl. Scrum Flow) eingehalten und auch kontinuierlich verbessert wird, tritt der Scrum Master zusätzlich als Bindeglied zwischen dem Entwicklungsteam und dem Product Owner auf und stellt dadurch die ergebnisorientierte „Lieferung“ von funktionierenden Produkten sicher. Durch seine schützende, ordnende und vermittelnde Rolle ist der Scrum Master einer der wichtigsten Change Agents in einem Unternehmen. Seine Rolle ist speziell in der Einführungsphase von Scrum in der Unternehmensorganisation von grosser Wichtigkeit.  Während er im Rahmen der laufenden Projektarbeit schwerpunktmässig als "Zeremonienmeister" für das Einhalten der Regeln und Rituale verantwortlich ist und als Abstimmungspartner zwischen Team und Product Owner fungiert, ist seine Tätigkeit in der Einführungsphase mehr die eines "Missionars" für die Methode. Dabei schafft er die notwendige Vertrauensbasis für die Methode Scrum beim Management und den Linienorganen des Unternehmens, berät den Product Owner in seiner neuen Rolle als  Autor von User Stories (im Gegensatz zu herkömmlichen Spezifikationsdokumenten) und steht dem gesamten Unternehmen als Ansprechpartner in allen Fragen der Methode Scrum zur Verfügung.

Meiner Meinung nach, bekleidet der Product Owner gegenüber dem Scrum Master in funktionierenden Organisationen die wichtigere Rolle. Das exakte "Schneiden" von Epics und User Stories sowie die schrittweise Gestaltung und ständige Kommunikation des Big Pictures eines entstehenden Produktes in iterativen Schritten, ist ein Erfolgsfaktor. In der Einführungsphase jedoch, liegt die Hauptverantwortung im Gelingen dieses Vorhabens in jedem Fall beim Scrum Master.

Wo liegen die Vorteile von Scrum?

Scrum besitzt seine unumstrittenen Stärken in hochkomplexen Projekten in Kombination mit meistens nicht eindeutig definierbaren oder volatilen Ergebnisszielen. Dies sowohl in kleinen Teams (5 - 9 Mitarbeitern) wie auch in mittleren und grossen Teams (bis zu 200 Mitarbeitern), auf einem oder mehreren Standorten verteilt. In Projekten mit eindeutig definierbaren und nicht ändernden Ergebniszielen ist zumeist die traditionelle Projektmanagementmethode nach PMI oder IPMA die idealere Methode.

Ist Scrum auch für Ihr Unternehmen geeignet? 

Scrum formuliert die Rechte und Pflichten des Entwicklerteams, des Product Owners sowie des Scrum Masters. Desweiteren basiert Scrum auf einen schlanken, flexibel anpassbaren und gut strukturierten (Software-) Entwicklungsprozess. Scrum ist eine sehr leistungsfähige Methodik um hoch effizient und hoch effektiv die Ergebnisziele eines Projektes zu erreichen. Jedoch erfordert der Einsatz von Scrum hohe Voraussetzungen in der Unternehmensorganisation: 
  • Autonomie in der Umsetzung - das Team setzt eigenverantwortlich die Funktionen des Produktes um. Es ist in der Methode kein Projektleiter der klassischen Ausprägung vorgesehen, der Leistung, Termin und Kosten überwacht.
  • Vertrauen des Managements in Richtung einer autonomen Umsetzung von Produkten durch ein Team ohne Vorhandensein einer Befehls- und Kontrollinstanz.
  • Vertrauen des Teams in der Anwendbarkeit der Methode.
  • Vertrauen des Product Owners in die Methode, speziell in der Autonomie der Methode.
  • Offenheit - tägliche gelebte Offenheit in den Daily Scrum Meetings.


Agilitäts-Selbstcheck

Mit nachfolgendem Test fällt es leichter einzuschätzen, ob Ihre Organisation vom Einsatz agiler Methoden, wie zB von Scrum profitieren kann und ob die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Dieser Agilitäts-Selbsttest entstand im Rahmen einer Forschungsarbeit zum Thema Projekterfolg in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Salzburg, im Studiengang Betriebswirtschaft und wurde von mir als Teilergebnis daraus konzipiert  (vgl. Brandstätter/Stumpf, 2012).

Der Selbsttest dauert in der Umsetzung ca. 15 Minuten und gibt Ihnen die Möglichkeit einer ersten Standortbestimmung zum Thema Agilität Ihres Unternehmens oder Unternehmensbereiches. Der Selbsttest ist in 3 Module (A bis C) unterteilt. In Modul A ermitteln Sie die Agilität im eigenen Unternehmen (Unternehmensbereich). In Modul B wird der Bedarf für den Einsatz von agilen Managementmethoden ermittelt. Dabei wird in B1 der Bedarf im Tagesgeschäft und in B2 der Bedarf im Projekteinsatz ausgewiesen. Abschließend geht es in Modul C um die Ermittlung der notwendigen Voraussetzungen Ihres Unternehmens (Unternehmensbereiches) in Hinblick auf den Einsatz von agilen Managementmethoden.

Geben Sie im nachfolgenden Selbsttest bei den aufgeführten Aussagen jeweils den Grad Ihrer Zustimmung an: 3 Punkte für Zustimmung, 2 Punkte für teilweise Zustimmung, einen Punkt bei Nicht-Zustimmung. Danach summieren Sie Ihre Punkte.

A - Die Agilität im eigenen Unternehmen bzw. Unternehmensbereich

1. Ein hoher Anteil an initiierten Aktivitäten bzw. Projekten wird erfolgreich abgeschlossen.

2. Unsere Aktivitäten bzw. Projekte unterliegen einer großen Wandlung.

3. Die Mitarbeiter inkl. Führungskräfte haben die notwendige Kompetenz zur Lösung von unerwarteten Anforderungen.

4. Die Mitarbeiter inkl. Führungskräfte haben den Entscheidungsspielraum zur selbsttätigen Lösung von unerwarteten Anforderungen.

5. Die Mitarbeiter inkl. Führungskräfte haben einen einfachen und schnellen Zugang zu allen formellen und informellen Informationen.

6. Unser tägliches Umfeld im Markt ist volatil und dadurch ständigen Schwankungen und Änderungen unterworfen.

7. Das Unternehmen besitzt mit sehr gut vernetzten Führungskräften und Mitarbeitern gute Sensoren in den jeweiligen Zielmärkten.

8. Die Mitarbeiter inkl. Führungskräfte kennen die eigenen "key earning drivers" des eigenen Unternehmens.

Ist die Summe höher als 16, ist die Agilität in Ihrem Unternehmen (Unternehmensbereich) stark ausgeprägt. Es reagiert rasch auf notwendige Änderungen. Änderungen erzeugen keine Irritationen in der Belegschaft. 

Liegt das Ergebnis höher als 8, befindet sich Ihr Unternehmen auf dem Weg in Richtung einer agilen Organisation.

Ergebnisse unter 8 deuten darauf hin, dass Ihr Unternehmen (Unternehmensbereich) starr organisiert und/oder stark formalisiert ist, sowie auf notwendige Änderungen langsam reagiert.


B1 - Bedarf an agilen Managementmethoden im Tagesgeschäft

9. Das Management Ihrer Unternehmensaktivitäten ist komplex und kompliziert.

10. Der Bedarf an schneller Reaktion auf Kundenanfragen im Kerngeschäft ist steigend.

11. Die Zufriedenheit der internen und externen Kunden Ihrer Produkte bzw. Services sinkt.

12. Die Anzahl der Änderungen in der Ablauf- und Aufbauorganisation steigen tendenziell an.

13. Die Anzahl von internen Projekten steigt tendenziell an.

Ist das Ergebnis höher als 10, ist der Bedarf für den Einsatz agiler Methoden im Tagesgeschäft ausgeprägt. In diesem Fall empfiehlt sich ein schneller Einstieg mit agilen Methoden und die Durchführung entsprechender Trainings.

Liegt das Ergebnis höher als 5, ist für den Einsatz agiler Methoden ein möglicher Bedarf gegeben.

Bei Ergebnissen unter 5, besteht mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Bedarf für den Einsatz von agilen Managementmethoden im Tagesgeschäft Ihres Unternehmens (Unternehmensbereichs).


B2 - Bedarf an agilen Managementmethoden für Projektvorhaben

14. Die Erfolgsrate von Aktivitäten und Projekten ist rückläufig.

15. Die Komplexität der Projektvorhaben (Aktivitäten) steigt tendenziell.

16. Die Anzahl der Projektvorhaben (Aktivitäten) steigt tendenziell.

17. Unsere abgeschlossenen Aktivitäten und Projekte besitzen eine durchschnittliche Änderungrate von mehr als 30%.

18. Die durchschnittliche Anzahl an Mitarbeitern in meinen Vorhaben (Projekten und Aktivitäten) steigt tendenziell.

Ist das Ergebnis höher als 10, ist der Bedarf für den Einsatz agiler Methoden in Projekten ausgeprägt. In diesem Fall empfiehlt sich ein schneller Einstieg mit agilen Methoden und die Durchführung entsprechender Trainings.

Liegt das Ergebnis höher als 5, ist für den Einsatz agiler Methoden ein möglicher Bedarf gegeben.

Bei Ergebnissen unter 5, besteht mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Bedarf für den Einsatz von agilen Managementmethoden in Projekten Ihres Unternehmens (Unternehmensbereichs).


C - Voraussetzungen für den Einsatz von agilen Managementmethoden für Tagesgeschäft bzw. Projektvorhaben

19. In der Organisation Ihres Verantwortungsbereichs existiert eine hohe Vertrauenskultur.

20. .... und es existiert eine ausgeprägt offene Fehlerkultur.

21. In der Organisation Ihres Verantwortungsbereichs besteht eine Verbindlichkeit zu autonomen Teams.

22. Das jeweilige Projektteam (Fachteam) wird nach den notwendigen Fähigkeiten und Begabungen individuell zusammengestellt.

23. In Ihrer Organisation existiert Knowhow bzw. Erfahrung im Einsatz von agilen Managementmethoden.

24. Ihre Mitarbeiter weisen eine hohe Projektverfügbarkeit auf.

Ist das Ergebnis höher als 12, sind die Voraussetzungen für den Einsatz von agilen Methoden in Ihrem Unternehmen ausgeprägt vorhanden.

Liegt das Ergebnis höher als 6, liegt eine bedingte Voraussetzung in Ihrem Unternehmen vor. Haben Sie darüber hinaus aber einen hohen Bedarf im Einsatz von agilen Methoden (siehe Pkt. B und/oder C), so sollten Sie dabei notwendige Bewusstseinsbildung und Ausbildung in der Organisation mittelfristig aufbauen.

Ein Ergebnis unter 6 bedeutet eine geringe bis keine Voraussetzungen für den Einsatz von agilen Methoden. Haben Sie darüber hinaus aber einen hohen Bedarf im Einsatz von agilen Methoden (siehe Pkt. B und/oder C), deutet dies darauf hin, dass Sie ehest möglich eine Verbesserung diesbez. mittels Bewusstseinsbildung und Ausbildung in der Organisation in Richtung Agilität herbeiführen sollten.


Für weiterführende Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung und freue mich über Ihre Kommentare zu diesem Artikel.


Weiterführende Literatur:

Brandstätter, M., Stumpf, M. (2012): Nachhaltigkeit im Projektmanagement – Bedeutung der Integrierten Kommunikation in der Innen- und Außendarstellung von Projekten. In: Umwelt-, Wirtschaftsforum, Heft 3-4/2012, S. 217-221. Springer-Verlag, Heidelberg.

Gloger, B. (2008): Scrum. Produkte zuverlässig und schnell entwickeln, München.

Pichler, R. (2008): Scrum. Agiles Projektmanagement erfolgreich einsetzen, Heidelberg.

Takeuchi, H./Nonaka, I. (1986): The New Product Development Game. Stop Running The Race And Start Rugby. In: Harvard Business Review. Jan-Feb 1986, S. 137-146, Boston.

Wirdemann, R. (2009): Scrum mit User Stories, München, Wien.

Witte, E. (1973): Organisation für Innovationsentscheidungen. Das Promotorenmodell. Schriften der Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel, Band 2, Göttingen.

Witte, E./Hauschildt, J./Grün, O. (1989): Innovative Entscheidungsprozesse: die Ergebnisse des Projektes "Columbus", Tübingen.

Wojda, F. (2000): Innovative Organisationsformen. Neue Entwicklungen in der Unternehmensorganisation, Stuttgart.

Womack, J., P./Jones, D., T. (1996): Lean Thinking, Auf dem Weg zum perfekten Unternehmen, 1. Aufl., München.




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