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Samstag, 13. Juli 2013

Die 7 Todsünden im Wandel zu einem agilen Unternehmen


Nach der erfolgreichen Einführung einer agilen Projektmanagement Methode - wie zB Scrum - kann ja noch lange nicht von einem agilen Unternehmen gesprochen werden, obwohl sich so mancher Unternehmer im Überschwang seiner Gefühle bei der erfolgreichen Abwicklung von Projekten mit Scrum im Entwicklungsbereich eines Unternehmens, zu solchen Aussagen hinreissen lässt.

Die Arbeit des Wandels in Richtung einer "Agilisierung" des Unternehmens, ausgehend zB vom Entwicklungsbereich in die weiteren Bereiche des Unternehmens, ist mit einigen Hindernissen gepflastert ( siehe dazu meinen Artikel unter: http://organisationsgestalter.blogspot.co.at/2013/05/agile-enterprise-transition.html).

Meine Erkenntnisse in Form der 7 Todsünden des agilen Unternehmenswandels, möchte ich nachfolgend kurz beschreiben.


1) Schwache Strategie

Viele Strategien in Richtung der agilen Unternehmensausrichtung sind zu eng fokussiert oder zu aber auch zu oberflächlich gefasst. Sie besitzen zumeist nicht die Anerkennung in der Größe des organisatorischen Wandels. Klarheit in der Zielsetzung und klare Ansage als Vorgabe für die Führungskräfte sind die "Pflicht und nicht die Kür".


2) Überlastete Teams

Wenn Teams und Führungskräfte neben diesem strategischen Projekt einer "Agile Transition", eine Reihe von weiteren kurzfristigen Prioritäten und Projekten (zumeist extern getrieben) in Ihrer Aufgabenliste stehen haben, ist der Misserfolg dieses (internen) Projektes absehbar.

Speziell weil wir Menschen gelernt haben, unter Druck und auch nach anfänglichen Enttäuschungen schnell in alte Gewohnheiten und Verhaltensweisen zurückzukehren, wird das "Fenster der Gelegenheit für den Wandel" drastisch reduziert.


3) Unterschätzung von Kultur

Eine starke Kultur ist das, was ein erfolgreiches Unternehmen besitzt um seine Produkte erfolgreich zu skalieren und ohne starre Regeln zu wachsen. Aber wenn eine Änderung in der Kultur erforderlich ist, arbeitet gerade die Stärke der Kultur gegen sie. Oder noch drastischer formuliert: "Ein starke Firmenkultur wird Ihre Strategie zum Frühstück verspeisen."  

Meiner Erfahrung nach können in derartigen Projekten die meisten Unternehmensprozesse in Form von "Quick Wins" sehr schnell verbessert werden. Jedoch ist eine nachhaltige Verbesserung nur schwer möglich. Beschleunigung und adaptives Unternehmensverhalten als erfolgreiches Ergebnis einer "Agilisierung" erfordert Disziplin in der Einhaltung der   Rituale und Praktiken. Dies erfordert aber zumindest eine Kultur:
  • für Qualität, 
  • für Vertrauen in die eigenen Stärken, 
  • die Kundenmeinung als Bereicherung und Geschenk zu betrachten.


4) Silo-Denken

Uneingeschränkte Nutzung der Vorteile von agilen Praktiken erfordert eine Ausrichtung über den gesamten Wertstrom des Unternehmens. Silo- oder Abteilungsdenken (zB in der IT) erzeugt eine Dissonanz mit den anderen Abteilungen der Organisation, in Vertrieb, Marketing, Kernprozessen, und Personalwesen und steht damit im Widerspruch zu den agilen Praktiken.


5) Regeln ohne Grundsätze

Agile Organisationen liefern in erster Linie eine Reihe von Werten und Prinzipien für den Umgang mit Unsicherheit und Komplexität. Sie zeigen damit auch gleichzeitig großen Respekt für die Menschen. Diese Werte und Prinzipien leiten die Prozessverbesserung und damit die Stärkung des Lernprozesses. Das alleinige Wissen, wie man Praktiken umzusetzen hat, ist notwendig, aber nicht ausreichend um eine Organisation kontinuierlich zu verbessern und ihr eine organisatorische Agilität zu verleihen. Oftmals braucht es auch zusätzlich Betreuung und Begleitung. Das muss nicht immer gleich externe Begleitung sein. Kollegiales Coaching ist dazu ein geeignetes Mittel.


6) Ignoranz vor dem Widerstand

Selbst wenn Führungskräfte eine klare Vision für den Wandel besitzen und diese auch vorbildlich kommunizieren, wird es immer eine kritische Masse von Menschen in jedem Team und in der Organisation geben, die viel Energie aufbringen, Veränderung als Bedrohung zu empfinden und dagegen anzukämpfen. Zur Info: Agile Unternehmen betrachten Änderungen als ihren Motor! Viele Organisationen vergessen in derartigen Vorhaben, neben den Macht- und Prozesspromotoren, auch die Destruktoren in derartige Vorhaben aktiv einzubinden.


7) Kennzahlenwächter sind die Leichenträger 

Lineares Kontrolldenken in derartigen Projekten bedeutet ein frühes Sterben der agilen Idee. Indikator sind dabei:
  • Effizienz mit Effektivität zu verwechseln. 
  • Planeinhaltung um jeden Preis. Speziell die Führungskräfte im mittleren Management verstehen sich da mehr als Verwalter von Arbeitspaketen und KPI´s.
  • Aussagen wie zB: "Agilität ist zu wenig greifbar und grossteils esoterisches Gedankengut; Was nicht quantitativ messbar ist, kann auch keine "echten" Ergebnisse liefern;  Agilität ist ja nur eine andere Bezeichnung für Schlampigkeit und Oberflächlichkeit, …"


Schaffen Sie zumindest am Anfang des Agile Translation Projektes  die quantitativen Kennzahlen ab und ersetzen Sie sie durch qualitative Kennzahlen (zB Zufriedenheitsindizies). Planeinhaltung in einem agilen Transitionsprojekt ist kein sinnvolles Ziel, einen Wert und Nutzen zu erzeugen jedoch schon. 


Für weiterführende Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung und freue mich über Ihre Kommentare zu diesem Artikel.


Weiterführende Literatur:

Gloger, B. (2008): Scrum. Produkte zuverlässig und schnell entwickeln, München.

Heitger, B./Doujak, A. (2012) Managing Cuts And New Growth. An innovative Approach to Change Management, Wien.

Kostka, C./Mönch, A. (2001): Change Management. 7 Methoden für die Gestaltung von Veränderungsprozessen, München.

Kotter, J., P. (1996): Leading Change, Boston.

Laube, T./Schwandner, O. (2006): Technologie-Roadmapping-basierte Vorgehensweise zur Unterstützung des Technologietransfers in kmU. In Gausemeier, J. (Hrsg.): Vorschau und Technologieplanung. 2. Symposium für Vorschau und Technologieplanung Heinz Nixdorf Institut, 9. und 10. Nov. 2006, Schloss Neuhardenberg, Paderborn.

Pichler, R. (2008): Scrum. Agiles Projektmanagement erfolgreich einsetzen, Heidelberg.

Reiß, M. (1997): Optimierung des Wandels, in Reiß, M. (Hrsg.): Handbuch für Change Management. Programme, Projekte und Prozesse, Stuttgart, S. 123-144.

Robbins, P. (2001): Organisation der Unternehmung, 9. Aufl., München.

Stolzenberg, K./Heberle, K. (2006): Change Management. Veränderungsprozesse erfolgreich gestalten - Mitarbeiter mobilisieren, Heidelberg.

Senge, P. (2003): Die fünfte Disziplin, 9. Aufl., Stuttgart.

Von Rosenstiel, L. (2003): Grundlagen der Organisationspsychologie, Stuttgart.

Weick, K. (1995): Der Prozess des Organisierens, Frankfurt a. Main.

Montag, 8. Juli 2013

Agile Werkzeuge für das strategische Management


Die Projektmanagementmethode Scrum bietet jede Menge guter Werkzeuge an - speziell operative Werkzeuge - für das Arbeiten mit und für Teams. 

In Richtung agiler Unternehmensorganisationen gedacht, benötigen die Führungskräfte jedoch mehr als das. 

Die Herausforderungen für Führungskräfte

Das agile Arbeiten kommt der menschlichen Natur sehr entgegen. Trotzdem arbeiten wir seit jeher anders und sind neuen Aspekten gegenüber oft skeptisch. Um die Entscheidung zu treffen, ob agil richtig oder falsch, gut oder schlecht ist, sollte das Management folgendes verstehen:
  • Agile Manager schaffen in erste Linie für Ihre Teams die richtigen Rahmenbedingungen, 
  • sie kommunizieren eine klare Vision für eine gemeinsame Zielerreichung 
  • und unterstützen die Teams bei der Selbstorganisation. 

Erst das schafft Motivation, Mitarbeiterzufriedenheit und gibt Raum für Innovationen und Ideen.

Agile Strategiewerkzeuge

In Unternehmen, die die Selbstorganisation als richtiges Mittel verstanden haben, ist die Vision und die daraus abgeleitete Strategie eine wichtigste Basis, die es jedem einzelnem im Unternehmen erlaubt, sich als Teil des Ganzen zu sehen. Vorausgesetzt, der Prozess der Missions- und Visionsgestaltung in einem Unternehmen ist abgeschlossen, wird daraus die Strategieentwicklung abgeleitet.

Ich möchte nachfolgend zwei simple Werkzeuge für die Strategieentwicklung in agilen Unternehmen vorstellen:
  • Agile Strategy Map
  • Strategy Backlog


1) Agile Strategy Map

Die bestehenden traditionellen Planungswerkzeuge (zB Porters "Five Forces", Spulbers Five Strategy Phases; ..) ermöglichen häufig nur eine lineare Planung, und unterstützen leider nicht, verschiedene Ansätze und Ideen schon in einer frühen Phase der Strategiebildung zu visualisieren. Dies ist jedoch gerade zu Beginn der strategischen Planung wichtig, denn man sollte zunächst alle Möglichkeiten betrachten und abwägen, sprich das Big Picture nicht aus den Augen verlieren.

Die Agile Strategy Map ist ein Ursache-Wirkung-Diagramm aller Voraussetzungen, die erforderlich sind, um einer Organisation das Erreichen eines bestimmten Ziels zu ermöglichen.  

Die Erstellung der Agile Strategy Map folgt in drei Schritten:
  1. Festlegung der strategischen Ziele - Beschreibung der gewünschte Ergebnisse in Form der Schlüsselfaktoren einer möglichen Differenzierung für jedes der Themen: Mitarbeiter, Markt, Produkt, Service, Kunden, Lieferanten.
  2. Identifizierung der möglichen Erfolgsfaktoren (Mögliche Erfolgsfaktoren, MEF), eventuell auch Schwierigkeiten und Hindernisse.
  3. Identifizierung der notwendigen Voraussetzungen (Notwendige Voraussetzungen, NV)


Grossgrupenveranstaltungen in Form von World Cafe oder Open Space helfen uns, diese Faktoren zu identifizieren und in den richtigen Kontext zu bringen. 

Abb.: Agile Strategy Map und Strategy Backlog


2) Strategy Backlog

Während die Mission im Rahmen eines Strategieprozesses das: „WOZU gibt es uns?“ klärt, die Vision das "WOHIN geht die Reise?" beschreibt, definiert die Strategie das "WAS ist zu tun?". Im nächsten Schritt müssen nun die Faktoren für die Taktik, die das "WIE beschreiben", festgelegt werden. 

Die Führungskräfte müssen zu jeder Zeit sowohl die strategischen als auch die taktischen Aspekte für die Zielerreichung im Auge behalten können. Zu diesem Zweck wird, ganz im Sinne von Scrum ein Backlog - Strategy Backlog - erstellt, welches mit notwendigen Maßnahmen gefüllt und priorisiert wird. Hier werden die gewählten notwendigen Voraussetzungen (NV) in Aufgaben herunter gebrochen, die in der Folge auch tatsächlich umgesetzt werden sollen. Außerdem beinhaltet dieses Backlog auch alle operativen Probleme und Hindernisse, die von den Teams identifiziert werden, und die vom Management beseitigt werden müssen, um effektiv arbeiten zu können. Hier wird deutlich, dass auch dieses Backlog, wie die meisten agilen Werkzeuge, ständigen Anpassungen und Änderungen unterliegt.

Das Management Backlog ist also eine Liste mit "Aktionspunkten" die zum einen auf den "Notwendigen Voraussetzungen (NV)" der Agile Strategy Map und zum anderen auf Anforderungen oder Hürden der Organisation der Gesamtorganisation basiert. Die Aufgaben werden nach folgenden Kriterien sortiert:

  • Risko 
  • Auswirkungen 
  • Abhängigkeiten
  • Wert
  • Kosten
  • Hindernisse

Die Kombination von Agile Strategy Map und dem Strategy Backlog stellt eine optimale Synergie zwischen Strategie und Taktik her. So gelingt es dem Management das operative Geschäft jederzeit an der Vision auszurichten.


Für weiterführende Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung und freue mich über Ihre Kommentare zu diesem Artikel.


Weiterführende Literatur:


Heitger, B. (2013): Issue_10 Agilität. From Fragile to Agile, http://www.heitgerconsulting.com/index.php?idcatside=507 (Abfrage: 08.07.2013).

Koch, H. (1977): Aufbau der Unternehmensplanung, Wiesbaden.

Müller-Stewens, G./Lechner, C. (2003): Strategisches Management. Wie strategische Initiativen zum Wandel führen, Stuttgart.

Porter, M. E./Millar, V. E. (1985): How information gives you competitive advantage. In: Harvard Business Review, Nr. 4, Juli-August 1985, S. 149-160.


Schneck, O. (1994): Management Techniken. Technik zur Planung, Strategiebildung und Organisation, Frankfurt.


Schreyögg, F. (1984): Unternehmensstrategie. Grundfragen einer Theorie strategischer Unternehmensführung, Berlin.


Steiner, G. A. (1971): Top Management Planung, München.


Spulber, D. F. (2003): The intermediation theory of the firm: integrating economic and management approaches to strategy, Managerial and Decision Economics, John Wiley & Sons, Ltd., Vol. 24(4), S. 253-266, New York.


Spulber, D. F. (2004): Introduction, Journal of Economics & Management Strategy, Blackwell Publishing, Vol. 13(1), S. 1-2, New York.