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Samstag, 4. Januar 2014

Problem- und Lösungssimulationen als Werkzeug in Organisationsprojekten

Die Verhaltensmuster für Orientierungs- und Problemlösung im Management sind nach wie vor geprägt von der mechanistischen Welt- und Wirklichkeitsvorstellungen. Dabei wird allzu leicht vergessen, dass gute Vorsätze sich schnell in "Luft auflösen", wenn es nicht gelingt, die erarbeiteten Werte, Leitbilder und Visionen vom Papier in die Köpfe und Herzen der Mitarbeiter zu bringen. Wer Leistung will, braucht intrinsische Motivation. 

Folgende Fragen sollten Sie sich vor Veränderungen in Organisationen stellen:
  • Helfen Ihnen Zahlen und Bilanzen, perfekte Powerpoint-Präsentationen wirklich, Einstellungen von Führungskräften und Mitarbeitern sich zu verändern?
  • Was veranlasst Menschen dazu ihre Gewohnheiten, ihre Routinen - also Teile ihrer erworbenen Identität - zu verlassen, um neue Wege zu beschreiten?
  • Wie verändert sich die innere Einstellung derjenigen, die sich verändern sollen?
Nun, es sind schließlich stets die Menschen, nicht die Dinge, die Ideen in Wirklichkeit verwandeln. Wer demnach auf Strukturwandel und Veränderung zielt, braucht ein entschlossenes Team souveräner, verantwortungsvoller Persönlichkeiten, die in der Lage sind, Absichten in Wirklichkeiten umzusetzen. 

Die aktuellen Ergebnisse aus der Lern- und Kognitionsforschung zeigen: Individuelles, auf der Grundlage von Erfahrung und Erlebnis erworbenes Wissen schreibt sich tiefer in das Gedächtnis ein, da das im Gegensatz zum rein kognitiv Vermittelten, von starken Emotionen begleitet und daher nachhaltiger im menschlichen Bewusstsein verankert wird. Menschen verändern sich also nicht durch das Dozieren und Diskutieren von Sachverhalten. Sie lernen, indem sie erleben und daher aktiv aus ihren Erfahrungen in der Welt der Erkenntnisse reproduzieren.

Hier setzt ein handlungs- und erlebnisorientiertes Konzept in Form der Problem- und Lösungssimulationen an. Mit Geschichten zu arbeiten heißt, bestehende Ordnungsmuster vorübergehend außer Kraft zu setzen. Wer also emotionale Energien entfachen will, muss Situationen schaffen, in denen das spielerische, visionäre Element zur Geltung kommt. Hier liegt das eigentliche Potential zur Veränderung und zur Neuausrichtung als Prozeß, in dem Menschen sich selbst und andere dazu befähigen, Absichten in Wirklichkeiten umzusetzen. Wir sprechen in weiterer Folge von Simulationen, in den Menschen in Situationen versetzt werden, um Rollen zu spielen, Anforderungen zu lösen, neue Handlungsmuster kennenzulernen, Situation zu antizipieren oder schlichtweg nur komplexe Methoden kennzulernen. 

Strukturtypen von Simulationen

Auf der Handlungsseite lassen sich zwei Arten von Simulationen differenzieren: Die synergetischen und konstruktivistischen Strukturtypen.

Synergetische Aktionen: 
Die Teilnehmer werden in eine Geschichte verwickelt, die ihnen selbst als reales Geschehen erscheint. Auf den ersten Blick begegnen sich hier Personen in einem außerbetrieblichen Setting, die einander aus dem Arbeitsalltag persönlich, telefonisch oder schriftlich mehr oder weniger gut kennen. Der so eröffnete Erlebnisraum verweist auf andere Möglichkeiten von Erfahrung und Kommunikation. Synergetische Aktionen aktivieren Energiepotentiale, die sich erfahrungsgemäß nicht auf den Zeitraum einer Aktion beschränken. Sie werden zu entscheidenden Impulsgebern der Verbesserung und Intensivierung von Kommunikation im betrieblichen Alltag. 

Konstruktivistische Aktionen: 
Hier arbeiten die Teilnehmer auf der Seite der Simulationsgestalter (aussenstehende Trainer oder Moderator einer Simulation). Sie verwirklichen zusammen mit ihnen eine Geschichte und erleben auf der „Gestalterseite“, wie sich die ursprüngliche Idee in kurzer Zeit zu handfester sozialer Wirklichkeit verdichtet. Die Erfahrung, wie sich aus spielerischen Versuchen feste Wirklichkeitsstrukturen entwickeln, die sich mit dem Grad ihrer Verfestigung immer schwerer steuern lassen, sensibilisiert den Blick für das Spannungsverhältnis zwischen Gegebenem und Gewordenem. Die Teilnahme an einer konstruktivistischen Aktion ist für Führungskräfte in der Regel ein aufregendes Abenteuer, das im energetischen Feld alle Energiefelder, also auch die intellektuelle Energie in besonderer Weise aktiviert. Auf der persönlichen Ebene geben die Aktionen den Teilnehmern Anstoß zu reflektierter Selbstbeobachtung: Sie motivieren zum Loslassen von verfestigten Routinen, schaffen Offenheit für Neues und geben Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten mit dem Fremden umzugehen und nicht davon überwältigt zu werden. Nicht zuletzt diese Gewinne durch erfolgreiche Erfahrung der Angstbewältigung intensivieren den Zugang zur eigenen Vitalität.

Problem- und Lösungssimulation für Mitarbeiter

Die von mir entwickelten Simulationen, um Arbeiten in agilen (lean) Organisationen kennenzulernen, basieren überwiegend auf der synergetischen Aktionsfähigkeit. Hier geht es in erster Linie darum, einen bestehenden Arbeitsraum (zB Arbeit als Projektleiter in einem technischen Büro) zu verlassen um eine Anforderung in einem neuen Arbeitsraum und einer neuen Rolle (zB Creative Director einer Medienagentur) zu erleben und kennenzulernen. In erster Linie geht es darum, spielerisch Anforderungen zu lösen und im Rahmen dieses Prozesses neue Methoden auszuprobieren (zB Scrum als agile Methode in temporären Organisationen oder Kanban als evolutionäre und iterative Verbesserungsmethode im Tagesgeschäft kennenzulernen) und zu verinnerlichen.

Simulation für Führungskräfte 

Im Moment beschäftige ich mich damit, Führung in agilen Organisationen in Form von Simulationen erlebbar zu machen um damit eine weitere Schwelle in der Transition zu agilen Organisationen zu überwinden. Meiner Erfahrung nach, sind es zumeist die Führungskräfte in der mittleren Managementebene, die oftmals ein Problem damit haben, Änderungen in Richtung agiler Organisationen mittragen zu können. Ihnen sind dabei ihre langjährig erfolgreichen Werkzeuge wie zB command & control, Mitarbeiterführungsgespräche oder Management by Numbers abhanden gekommen. Unsicherheit, Angst vor Einflussverlust, Orientierungslosigkeit in der bestehenden "Sandwichposition", Frustration und Ablehnung macht sich dabei oftmals breit. Simulationen sollen ihnen dabei helfen die neue Situation erlebbar zu machen um Sicherheit und Orientierung zu bekommen bzw. um ihnen Ängste zu nehmen, bevor sie ein Änderungsvorhaben starten oder vom Topmanagement dazu eingesetzt werden in einem derartigen Änderungsvorhaben mitzuarbeiten. 

Methodisch beschreite ich dabei hauptsächlich den Weg der konstruktivistischen Aktionen. Ob es bei einem Versuch bleiben wird, oder ob sich daraus eine oder mehrere Simulatioen für Führungskräfte und/oder Mitarbeiter ergeben werden, wird das Jahr 2014 zeigen. Ich halte Sie jedenfalls darüber auf dem Laufenden.

Festpreisangebote in der Anwendung von agilem Projektmanagement

Geht das überhaupt? Ich denke nicht, dass sich Festpreis und Agilität widersprechen und ich werde hier versuchen zu argumentieren warum. Ganz im Gegenteil, ich glaube sogar, dass Festpreise nur dann zu Zufriedenheit bei Kunden und Lieferanten führen, wenn man agil zusammen arbeitet.

Die Realität in der traditionellen Projektbetrachtung

Das grundsätzliche Problem mit Festpreisprojekten ist, dass in den meisten Fällen eben nicht nur der Preis fest sein soll, sondern auch der Inhalt und der Termin. Dies wird im Projektmanagement gerne auch als “Magisches Dreieck” bezeichnet. Das Management dieser drei Zielgrößen führt in klassischen Festpreisprojekten zu Problemen, in meiner Vergangenheit schon sehr häufig selbst mit erlebt. Der Kunde erhält in diesem Falle genau das, was er im Pflichtenheft aufgeschrieben hat. Jegliche Abweichungen werden über das “Change Management” gesteuert, also entweder abgelehnt oder man lässt sich die Änderungen teuer bezahlen. Viele Kalkulationen von Festpreisen gehen schon beim Angebot davon  aus, dass das Projekt nur über die Änderungen profitabel wird. Nicht nur, dass der Kunden nicht das erhält was er möchte, es geht auch viel Zeit und Energie in Meetings verloren, in denen man diskutiert, ob etwas ein Change ist oder eben nicht (als Bestandteil des Pflichtenheftes).

Qualität und nichtfunktionale Anforderungen werden meistens nur rudimentär oder gar nicht spezifiziert. Dadurch fallen diese fast immer der Zeit und dem Budget zum Opfer. Am Ende stimmt dann die Performance nicht oder das übergebene Produkte ist nur schwer weiter zu pflegen und zu ändern.

Der Geschäftswert und die Kundenzufriedenheit spielen in klassischen Projekten kaum eine Rolle. Anforderungen werden nicht priorisiert, weil sowieso “alles” umgesetzt werden muss. ZB werden die Endanwender meistens am Tag der Einführung mit der neuen Software konfrontiert – "alles andere hätte nur den Zeitplan durcheinander gebracht und zu unnötigen Changes geführt" (Opelt, 2012).

Veränderte Sichtweise

Man kann in einem überschaubaren Aufwand keine Produkte zu 100% spezifizieren! Seit 1992 arbeite ich in Projekten und sehe immer wieder, dass dies aber auch heute noch versucht wird und der Drang nach “Sicherheit” dazu führt, dass Pflichtenhefte mit hunderten Seiten spezifiziert werden. Persönlich habe ich aber noch nie erlebt, dass diese Spezifikationen auch nur nahe an 100% umgesetzt wurden. Warum? Gesetzte und Vorschriften ändern sich, neue Technologien und Produkte werden verfügbar, Menschen haben neue Ideen und Meinungen, Dinge die auf dem Papier gut ausgesehen haben, stellen sich in der laufenden Produktentwicklung als nicht wirklich benutzerfreundlich dar oder man hat schlichtweg etwas falsch verstanden oder vergessen zu dokumentieren.

Zum Beispiel hat die Standish Group in ihrer jährlich wiederkehrenden Studie (CHAOS-Report) herausgefunden, dass 45% der Funktionen einer Software nie benutzt werden! 20% werden sehr selten und 16% manchmal benutzt. Nur 20% der Funktionen einer Software werden laut dieser Studie immer oder oft genutzt. Das ist also das Ergebnis von sogenannten Wasserfallprojekten in der Software-Entwicklung bwz. das Ergebnis von Planung und Umsetzung nach klassischer Festpreisphilosophie (Opelt, 2012).

Agile Festpreisbestimmung

Im agilen Projektmanagement erweitern wir das magische Dreieck also um zwei weitere Kerngrößen: Kundenzufriedenheit und Geschäftswert. Man kann auch sagen, dass in klassischen Ansätzen das Projekt “Plan getrieben" ist, während agile Projekte “Wert getrieben” sind und versuchen in jeder Iteration den maximalen Wert für den Kunden zu erzielen (mittels ständiger Priorisierung).

Es gibt sicherlich viele Ansätze und Varianten einen agilen Festpreis zu vereinbaren. Ich persönlich setze auf einen Ansatz, den ich hier kurz beschreiben werde:
  1. Ich empfehle, gemeinsam mit dem Kunden ein Backlog zu erstellen oder nutze ein vorhandenes Backlogs des Kunden (das kann auch ein klassisches Pflichentheft sein, das bereits erstellt wurde).
  2. Dann schätzt man die relative Größe der Funktionen auf Basis von Story Points, so dass am Ende eine Anzahl für die Storypoints des gesamten Projekts (initialer Backlog) vorhanden ist. Das Schätzen erfolgt am Besten mit den Schätzmethoden Estimation Game oder Magic Estimation Method weil es am schnellsten und effektivsten ist – ggf. kann aber auch Planning Poker verwendet werden. Das Einbinden des Kunden bei dieser initialen Schätzung hat sich bewährt, weil dies auf beiden Seiten für ein besseres Verständnis der Funktionen sorgt und viele Missverständnisse schon früh ausgeräumt werden können.
  3. Dann stimmt man mit dem Kunden eine "Definition of Done" (DoD) ab, die insbesondere auch Qualitätskriterien definiert und festlegt, ob die Anwendung beispielsweise von uns, oder auch mittels automatisierter Fachtests gesichert werden soll.
  4. Dann werden unterschiedliche Stories exemplarisch in einzelne Tasks "zerlegt" und es werden Design Ideen für die Umsetzung entwickelt. Auf Basis der DoD wird eine Expertenschätzung für diese exemplarischen Tasks erstellt. Man erhält so einen Aufwand für diese Stories in Personentagen. Wir mitteln dann den Aufwand auf Basis der Schätzungen für unterschiedlichen Stories und erhalten so einen Umrechnungsfaktor von Story Points auf Personentage. Am Besten validiert man diesen Wert noch einmal, in dem man ein anderes Team noch einmal diesen Umrechnungsfaktor bestimmen lässt – ggf. auch mit anderen Stories.
  5. Auf Basis der initialen Schätzung des Backlogs in Storypoints und des Umrechnungsfaktors wird der Aufwand für das initiale Backlog ermittelt.
  6. Der Aufwand multipliziert mit dem durchschnittlichen Tagessatz des Umsetzungsteams ergibt den Festpreis.
  7. Dieser Festpreis gilt jetzt aber nicht für den Umfang des initialen Backlogs, sondern nur für die Anzahl der initial berechneten Story Points. D.h. der Kunden kann den initialen Backlog damit umsetzen, muss es aber nicht. Er kann auch jederzeit Stories austauschen, neue hinzufügen und andere streichen – solange er den Gesamtumfang der Storypoints nicht überschreitet.

Varianten von agilen Festpreisangeboten

Es gibt natürlich noch Varianten zu diesem Vorgehen. Beispielsweise kann man den Aufwand für Storypoints auch durch ein paar wenige Sprints auf Basis von Zeit und Material ermitteln. So kann man den Umrechnungsfaktor sehr präzise empirisch bestimmen und hat auf beiden Seiten höhere Planungssicherheit. I.d.R. arbeiten Dienstleister ohne diese Sicherheit mit einem “Risikoaufschlag” bei der initialen Schätzung, um das Risiko von Mehraufwänden im Festpreis zu berücksichtigen. 30% Aufschlag sind dafür ein realistischer Erfahrungswert. Eine weitere Variante ist Money for nothing – change for free, die Jeff Sutherland vorgeschlagen hat. Bei dieser Variante kann der Kunde jederzeit sagen, dass er das Projekt beendet, weil die gelieferte Funktionalität ausreichend ist. Die Differenz des Aufwandes wird geteilt, d.h. der Dienstleister erhält die Hälfte des Geldes für den nicht geleisteten Aufwand und der Kunde spart die andere Hälfte ein.

Fazit

Agilität und Festpreis müssen demnach nicht im Widerspruch stehen. Ganz im Gegenteil, führt die Aufnahme von Geschäftswert und Kundenzufriedenheit zu einer Win-Win Situation, die bei einem klassischen Verfahren zur Ermittlung  Festpreis meistens nicht erreicht wird. Das agile Verfahren zur Ermittlung eines Festpreisangebotes kann demnach als "ein reifes Verhandlungssystem für reife Geschäftspartner" bezeichnet werden.


Weiterführende Literatur

Beck, K. et al. (2001): The Agile Maifesto, http://www.agilemanifesto.org, (Abfrage: 18.03.2009).

Bockmann, S. (2008): Team Estimation Game http://agileworks.blogspot.co.at/2008/01/team-estimation-game-by-steve-bockman.html. (Abfrage 14.04.2013).

Boehm, B.W.(1981): Software Engineering Economics, Boston.

Cohn, M. (2004): User Stories Applied. For Agile Software Development, Boston.

Derby, E./Larsen, D. (2006): Agile Retrospectives. Making Good Teams Great, Boston.
Grenning, J. (2002): Planning Poker. Renaissance Software Consulting. http://renaissancesoftware.net/papers/14-papers/44-planing-poker.html. (Abfrage 14.04.2013).

Gloger, B. (2008): Scrum. Produkte zuverlässig und schnell entwickeln, München.
Kaner et al. (1996): Facilitator´s Guide to participatory Decision Making. New York.

Oesterreich, B./Weiss, C. (2008): APM - Agiles Projektmanagement. Erfolgreiches Timeboxing für IT-Projekte, Heidelberg.

Opelt et al. (2012): Der agile Festpreis, München.

Pichler, R. (2008): Scrum. Agiles Projektmanagement erfolgreich einsetzen, Heidelberg.

Schwaber, K./Beedle, M. (2001): Agile Software Development with Scrum, New York.

Schwaber, K. (2004): Agile Project Management with Scrum, Redmond.

Schwaber, K. (2007): The Enterprise and Scrum, Redmond.