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Sonntag, 3. August 2014

Das Los des Innovators

Wer anderen etwas vorgedacht, wird jahrelang erst ausgelacht. Begreift man die Entdeckung endlich, so nennt sie jeder selbstverständlich.
Wilhelm Busch



Der Begriff der Unternehmensorganisation steht grundsätzlich nicht für Neuartigkeit

Wenn man im Duden die Begriffsbestimmung von Innovation aufschlägt, dann liest man:
"Innovation heißt wörtlich „Neuerung“ oder „Erneuerung“. Das Wort ist vom lateinischen Verb innovare (erneuern) abgeleitet. In der Umgangssprache wird der Begriff im Sinne von neuen Ideen und Erfindungen und für deren wirtschaftliche Umsetzung verwendet. Im engeren Sinne resultieren Innovationen erst dann aus Ideen, wenn diese in neue Produkte, Dienstleistungen oder Verfahren umgesetzt werden, die tatsächlich erfolgreiche Anwendung finden und den Markt durchdringen."

Also nicht schon die Erfindung ist die eigentliche Innovation, sondern erst die Etablierung und Nutzung bzw. deren Anwendung.

Eine Innovation in der eigenen Organisationen zu etablieren ist oftmals brisant und daher schwierig. Nach dem bekannten österreichischen Ökonom Joseph Schumpeter, der den Begriff "innovare" im Kontext zum Unternehmen als eine Erneuerung durch "kreative Zerstörung" bezeichnete, hat er dies hiermit um einiges radikaler formuliert. Er meinte zum damaligen Zeitpunkt damit das Hervorbringen neuer Kombinationen von Produktionsfaktoren, also mehr Prozessinnovation als Produktinnovation.

Die Unternehmensorganisation ist aber alles andere als ein System, das für ständige Erneuerung und "kreative Zerstörung" steht. Ganz im Gegenteil, steht sie doch für die Begriffe Verlässlichkeit, Wiederholbarkeit, Nachvollziehbarkeit also Rationalität und daher für Sicherheit. Eine Organisation möchte dadurch eine maximale Sicherheit für alle Beteiligte (Anteilseigner, Mitarbeiter, Kunden Lieferanten, Anrainer ) vermitteln, kann daher die mit einer Innovation zwingend einhergehende Unsicherheit nicht zulassen.

Damit also keine Unsicherheit im Zusammenhang mit Innovation im Unternehmen aufkommt, haben sich in Firmen eigene Rituale dafür etabliert. Und dies nur dafür, um eigene Innovationen in ganz bestimmten Situationen und Räumen dennoch zuzulassen. Man nennt diese Rituale Innovationszirkel, Inkubator-Zyklen, standardisierte Abläufe für Forschung und Entwicklung (F&E-Prozesse) und dergleichen mehr. Kurz gesagt, es wurde der Versuch unternommen, die Innovation zu standardisieren, sie zu reglementieren um sie in einem "geschützten Bereich" zu halten. Wir bezeichnen dies in Unternehmen auch gerne als Innovationsmanagement.


Trotz Innovationsmanagement innovativ

Ich lese gerade das Buch: "Die Musterbrecher - Die Kunst das Spiel zu drehen" von Kaduk, Stefan et al. (2013). Im Kapitel 3 des Buches wurde ein Interview mit Ulf Pilkan, Innovationsmanager in der Siemens AG abgedruckt. Er bezeichnet darin die Innovation in Unternehmen als einen Widerspruch in sich. Ulf Pilkhan beschreibt Innovationen als vielschichtig, komplex, kompliziert und diffus. Es treten dabei immer Fragestellungen auf, die von den zuständigen Management nicht einfach beantworten oder zu entscheiden sind. Anstatt zu versuchen, die eigentlichen Innovationen zu verstehen, ist man grossteils bemüht, die Instrumente des Innovationsmanagements zu schärfen, sie quasi in "Kästchen" zu pressen. Dies bedeutet also ein "Mehr" von der Verpackung als vom Inhalt.

Pilkhan beschreibt dazu ein schönes Praxisbeispiel. Seines Erachtens ist der innovativste Bereich innerhalb des Siemenskonzerns, der Bereich Health Care. Er stellt fest, dass dieser Bereich natürlich auch einen Innovationsprozess in der eigenen Prozesslandkarte etabliert hat. Sieht man sich jedoch die tatsächlichen Innovationen an, die darin entstanden sind, stellt man fest: Null Prozent der Innovationen entstanden aus diesem Innovationsprozess. Alles Neue ist komplett am Innovationsprozess vorbei entstanden. 

Soll heissen: Dass man nicht wegen, sondern trotz des Innovationmanagements innovativ ist! Das dramatische an dieser Feststellung ist jedoch die Schlussfolgerung der Manager. Anstatt diesen Innovationsprozess grundsätzlich infrage zu stellen, durchleuchtet man ihn auf Fehler hin und möchte ihn optimieren. 


Innovation lässt sich genauso wenig verordnen, wie sich Vertrauen verordnen lässt

Wir können beobachten, dass das traditionelle Management in Angelegenheiten von Innovationen immer öfters und immer schneller nervös wird. Es fehlen  den Führungskräften scheinbar klare Steurerungsgrössen und Regelwerkzeuge über den Innovationsprozess hinaus. Manager haben in ihrer Ausbildung mehr von den Methoden, Kennzahlen, Regelungen und hierarchisch orientierten Steuerkreisen als von Autonomie in der Organisation zur Bewältigung von Komplexität, geschweige denn von Experimenten und Ausprobieren gelernt.

Und dies in Zeiten wo die Komplexität in der Unternehmensorganisation zunimmt, Änderungen schneller und drüber hinaus oftmals schlagartig ohne Vorzeichen bekannter Verhaltensmuster auftreten. 

Man kann also feststellen dass unsere bestehenden Organisationen und Organisationsformen grundsätzlich nicht dafür geschaffen sind Innovation hervorzubringen, man kann sogar behaupten dass sie sie so gar kanibalisieren. Aber wie kann es dennoch gelingen dass Innovationen in Unternehmen hinkünftig noch schneller und reibungsfreiher entstehen.
  • Innovationen und Gedankenexperimente können nur von Menschen und nie von Organisationen hervorgebracht werden (Eppler, 2014S.5 ff.).
  • Es geht darum, dass in Organisationen Neues entstehen darf, also dass Fragen zulässig sind, für die noch aktuell kein Bezugssystem existiert (von Förster, 1993, S. 69 ff.).
  • Manager sollten sich daher neben dem Arbeiten im Organisationssystem mehr mit dem Arbeiten am Organisationssystem, also mit Experimenten und Ausprobieren rund beschäftigen (Kaduk, 2013, S34 ff.).
  • Organisatorische Innovationen in Unternehmen sind notwendig, da diese oftmals die Basis für innovative Organisationen sind (Brandstätter, 2014).

Weiterführende Literatur

Brandstätter, Manfred (2014): Organisatorische Innovationen als  Basis für Innovation in Organisationen, organisationsgestalter.blogspot.co.at/2014/04/organisatorische-innvoationen.html

De Bono, Edward (2013): Neue Denkschule, München.

De Bono, Edward (2010): Think - Denken bevor es zu spät ist, München.

Denning, Stephan (2010): The Leaders´s Guide to Radical Management. Reinventing the Workplace for the 21st Century, San Franzisko.

Erbeldinger, Juergen; Ramge, Thomas (2013): Durch die Decke denken. Design Thinking in der Praxis. München: Redline-Verlag,

Eppler, Martin (2014): Das Experiment. Wie sich Organisationen auf Probe nur erfinden. In Organisationsentwicklung. Die Zeitschrift für Unternehmensentwicklung und Change Management (Ausgabe 3/2014), Handelsblatt-Verlag, Düsseldorf.

Geschka, Horst; Lantelme, Gudrun (2005): „Problemlösungsstrategien“ in: Marion A. Weissenberger-Eibl und Sonja Bidmon (Hg.): Gestaltung von Innovationssystemen. Konzepte - Instrumente - Erfolgsmuster. Kassel: Cactus-Group-Verlag, S. 309–328.

Heitger, Barbara (2013): Next Level Enterprise - Trends der Unternehmensentwicklung, Wien.

Kaduk, Stefan et al. (2013): Musterbrecher - Die Kunst das Spiel zu drehen, Hamburg

Pfläging, Niels (2013): Organisation für Komplexität. Wie Arbeit wieder lebendig wird - und Höchstleistung entsteht, Frankfurt.

Pink, Daniel (2009): Drive. Was Sie wirklich motiviert, New York, Salzburg.

von Förster, Heinz (1993): KybernEhtik, Merve Verlag, Berlin.